Ich gehe in ein Abenteuer
Meine Dezember-Rezension 2016
Anlässlich
meines Blogspecials kommt hier die erste Rezension zum Thema „Herr
der Ringe“. Wie ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, habe ich nicht
mit dem Hauptwerk begonnen, sondern um eines leichten Einstiegs
Willen mit dem Kinderbuch „Der kleine Hobbit“ von J. R. R.
Tolkien aus dem Jahr 1937. Tolkien selbst hat diese Geschichte für
seine Kinder John, Michael, Christopher und Priscilla geschrieben,
nachdem er ihnen bereits Geschichten über Hobbits erzählt hatte. Es
steckt also zweifelsfrei viel Herzblut in diesem Werk. Außerdem gilt
der britische Philologe als Begründer der modernen Fantasyliteratur
und wird auch heute noch von einer riesigen Fangemeinde als Meister
dieses Faches verehrt, was nicht zuletzt daran liegt, dass er für
seine fiktive Welt ganze Sprachen nahezu lückenlos entwickelt hat.
An den Fantasyroman bin ich also mit großer Erwartungshaltung
herangegangen.
Inhalt
Der
Hobbit Bilbo Beutlin hat es gut in Beutelsend: Er nimmt täglich
sieben Mahlzeiten zu sich, raucht in seinem Vorgarten Pfeife oder
genießt sein Leben mit einem Buch am Kamin. Doch die Gemütlichkeit
ist schnell vorbei, als plötzlich der Zauberer Gandalf in seinem
Vorgarten steht, der scheinbar alles über Bilbo weiß, was umgekehrt
allerdings nicht der Fall ist. Er nimmt den Hobbit mehr oder weniger
freiwillig auf ein Abenteuer mit.
Denn
der gefürchtete Drache Smaug hat den Berg Erebor eingenommen, in dem
Unmengen von Gold und anderen Schätzen liegen und das darin lebende
Zwergenvolk größtenteils getötet. Zu den wenigen Überlebenden
gehört auch Thorin, der Zwergenprinz, der mit zwölf seiner treuen
Gefolgsleute Erebor zurück erobern will. Bilbo begleitet zusammen
mit Gandalf die Zwergengruppe und erlebt das größte Abenteuer
seines Lebens, denn er hat zuvor noch nie das Auenland verlassen.
Cover
Ich
weiß, dass es viele verschiedene Cover dieses Fantasyromans gibt,
aber ich finde, dass ich eines der schönsten in den Fingern hatte.
Es ist eine Illustration, in deren Vordergrund am Rand schwarz und
schemenhaft Bäume mit Wurzeln und Krone zu sehen sind. An den
rechten Baum lehnt sich mit der rechten Hand ein Hobbit,
höchstwahrscheinlich Bilbo, der in der linken Hand einen hölzernen
Stock hält und dem Betrachter den Rücken zuwendet, was ich an
seiner Stelle auch tun würde. Sein Ausblick ist nämlich grandios.
Im Hintergrund liegt in heller grünbläulicher Farbe eine imposante
Gebirgskette, durch deren Tal ein Fluss verläuft. Für alle, die es
genauer wissen wollen: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Fluss
Bruinen ist. Über diesen erstreckt sich in der unteren Hälfte des
Bildes horizontal eine hohe, schmale Brücke, die zu einer Stadt mit
ebenfalls vielen hohen, schmalen Türmen auf der linken Seite führt.
Bei dieser handelt es sich meines Erachtens nach um die Elbenstadt
Bruchtal.
Das Cover soll das große Staunen des kleinen Hobbit in der fremden Welt darstellen und den Leser dazu animieren, diese aus seiner Perspektive zu betrachten.
Das Cover soll das große Staunen des kleinen Hobbit in der fremden Welt darstellen und den Leser dazu animieren, diese aus seiner Perspektive zu betrachten.
Kritik
Da
„Der kleine Hobbit“ fast 350 Seiten hat und auch Kämpfe
beschrieben werden, ist er sowohl vom Umfang als auch inhaltlich erst
für Kinder ab 10 Jahren zu empfehlen. Dass der Fantasyroman jedoch
für Kinder gedacht ist, ist schon dem auktorialen Erzähler
anzumerken, der von Bilbos Abenteuer im Präteritum berichtet.
Regelmäßig spricht er den Leser in der zweiten Person Singular oder
Plural an, er selbst spricht gelegentlich auch in der ersten Person
Singular, was zu einer fast persönlichen Beziehung zwischen Erzähler
und Leser führt. Wenn er dann noch auf leicht infantile Weise alles
rund um Mittelerde und seiner Bewohner erklärt und man den Aspekt
beachtet, dass Tolkien dieses Werk für seine Kinder geschrieben hat,
gibt es keinen Zweifel mehr, welche Altersgruppe primär Adressat
ist. Jedoch gibt es auch versteckte Hinweise für Erwachsene. Wie
beispielsweise die Drossel, die den Zwergen einen Hinweis gibt oder
mit Bard in Esgaroth spricht. Der Erzähler beschränkt sich hier
absichtlich nur auf die Gedanken dieser Personen und enthält dem
Leser damit geschickt eine Information vor, auf die er mit guter
Kombinationsgabe selbst kommen kann: Die Drossel ist in Wahrheit
Gandalfs Bote.
Dieser und weitere Punkte beweisen Tolkiens unfassbares Geschick in der Erzählperspektive. Denn der auktoriale Erzähler ist mit Abstand der schwierigste, da er eine eigene Persönlichkeit braucht, um zur Geltung zu kommen. Das ist hier absolut passiert: Er ist sehr intelligent, humorvoll und bedacht bei seiner Wortwahl, um nicht zu viel zu verraten. Manchmal wirft er auch einen Blick voraus, frei nach dem Motto „Das werdet ihr erst später erfahren.“, oder „Das wäre jetzt zu weitreichend. Ich werde euch später noch mehr davon erzählen.“, um den Leser anzuspornen, mehr lesen zu wollen.
Dieser und weitere Punkte beweisen Tolkiens unfassbares Geschick in der Erzählperspektive. Denn der auktoriale Erzähler ist mit Abstand der schwierigste, da er eine eigene Persönlichkeit braucht, um zur Geltung zu kommen. Das ist hier absolut passiert: Er ist sehr intelligent, humorvoll und bedacht bei seiner Wortwahl, um nicht zu viel zu verraten. Manchmal wirft er auch einen Blick voraus, frei nach dem Motto „Das werdet ihr erst später erfahren.“, oder „Das wäre jetzt zu weitreichend. Ich werde euch später noch mehr davon erzählen.“, um den Leser anzuspornen, mehr lesen zu wollen.
Doch
nicht nur der Erzähler ist sehr gelungen, auch die Figuren sind
extrem liebevoll gestaltet. Und damit meine ich alle. Vom
Protagonisten Bilbo bis hin zu der kleinsten Randfiguren wie den
Trollen hat jeder eine Persönlichkeit mit Wiedererkennungswert.
Außerdem kann man vor allem an Bilbo, aber auch an den Zwergen,
einen schleichenden Wandel erkennen. Dafür muss der Leser allerdings
wieder zwischen den Zeilen lesen können. Im wahrsten Sinne des
Wortes. Denn Bilbos Besessenheit vom Ring wird von Kapitel zu Kapitel
stärker. Anfangs ist sie nicht zu bemerken, dann träumt er nachts
davon, dass er etwas sucht. Er weiß nicht was und findet es auch
nicht. Immer mehr wird der Traum zu einem Alptraum, bis er
schließlich erwacht. Diese Stelle zeigt eine starke Parallele zu dem
Moment, in dem Gollum merkt, dass der Ring verschwunden ist. Er sucht
in der ganzen Höhle und gerät in Panik, die in Wut umschlägt.
Später wird Bilbo mutiger, um nicht zu sagen waghalsiger. Sein
größter Stolz ist dabei der gestohlene Ring, dessen Macht er noch
gar nicht erkannt hat. Unachtsame Leser könnten Bilbos Besessenheit
sogar überlesen und das ist für mich das Geniale daran: Wenn
Menschen eine Sucht entwickeln, ist sie für Außenstehende genauso
wie für den Betroffenen oft spät erkennbar. Die Beschreibungen
Bilbos treffen also exakt ins Schwarze. Lediglich Gandalf scheint
diesbezüglich Verdacht geschöpft zu haben.
Die Sozialkritik beschränkt sich aber nicht nur darauf. Auch Orks, Smaug oder die Bewohner Esgaroths werden verwendet, um Schadenfreude, Geldgier oder Oberflächlichkeit zu kritisieren. Trotz der Moral hat „Der kleine Hobbit“ glücklicherweise keinen aufgezwungenen pädagogischen Wert, schließlich rauchen die Figuren wie Gandalf oder Bilbo Pfeife. Außerdem weist Tolkien die Verwendung von Allegorien zurück. Er spricht diesbezüglich nur von einer Anwendbarkeit.
Die Sozialkritik beschränkt sich aber nicht nur darauf. Auch Orks, Smaug oder die Bewohner Esgaroths werden verwendet, um Schadenfreude, Geldgier oder Oberflächlichkeit zu kritisieren. Trotz der Moral hat „Der kleine Hobbit“ glücklicherweise keinen aufgezwungenen pädagogischen Wert, schließlich rauchen die Figuren wie Gandalf oder Bilbo Pfeife. Außerdem weist Tolkien die Verwendung von Allegorien zurück. Er spricht diesbezüglich nur von einer Anwendbarkeit.
Kommen
wir nun zu dem Faktor, vor dem ich mich bei Tolkien mit am meisten
gefürchtet habe: Sprache. Zuerst einmal: Abgesehen von Orten oder
Flüssen kommt keine einzige fiktive Vokabel vor. Die Dialoge sind
also nicht auf Elbisch oder irgendeiner anderen erfundenen Sprache.
Es wird zwar erwähnt, wenn eine fremde Sprache verwendet wird, der
Leser bekommt aber direkt die deutsche Übersetzung aufgetischt. Hier
war meine Angst also völlig unbegründet.
Die
Sprache an sich ist sowohl altertümlich, als auch kindgerecht.
„Obgleich“ ist glaube ich das am häufigsten verwendete Wort im
Buch. Dazu werden viele rhetorische Mittel wie Metaphern, Vergleiche,
Alliterationen, Wiederholungen, Onomatopoesie oder Pars pro toto
verwendet. Es gibt keine blutigen Gemetzel und allzu spannende
Stellen werden für die Kinder entschärft oder sehr kurz gehalten,
was für diese zwar super ist, mir aber gelegentlich die Spannung
geraubt hat. Daraus resultierte dann eine kleine Leseflaute, an der
dieses Buch leider eine Teilschuld trägt.
Außerdem
wird an einigen Stellen im Roman sogar gesungen und zwar mit
vorliegenden Strophen und Refrain. Meinen Geschmack hat das weniger
getroffen.
Was
mir dagegen wieder gut gefallen hat, war die Landschaftsbeschreibung.
Diese war zwar äußerst detailliert, hat mich aber direkt in
Mittelerde eintauchen lassen.
Die
Kapitel sind so unterteilt, dass jedes aus einer Kurzgeschichte
besteht, die zusammen das große Abenteuer formen. So handelt das
erste Kapitel beispielsweise vom Besuch der dreizehn Zwerge bei
Bilbo, das zweite von der Begegnung der Truppe mit drei Trollen oder
das dritte von der Rast beim Halbelben Elrond. Natürlich haben mir
dabei einige Kapitel besser gefallen als andere, aber insgesamt waren
sie alle gut.
Das
Ende konnte mich nicht mehr groß überraschen, da ich die Filme
bereits gesehen hatte. Jedoch gibt es einige Abweichungen, mit denen
ich nicht gerechnet hatte und die wirklich lesenswert waren.
Fazit
Wer
Tolkien noch nie gelesen hat, jedoch daran interessiert ist, sollte
wirklich mit „Der kleine Hobbit“ beginnen. Ich habe es nicht
bereut und möchte jetzt gerne mit „Der Herr der Ringe“
fortfahren. Die von vielen Fans Tolkiens deklarierte
schriftstellerische Genialität kann ich definitiv unterschreiben.
Vor allem bin ich beeindruckt, wie wenig die Geschichte Bilbos in 80
Jahren an Modernität eingebüßt hat. Ich kann jedem diesen
Fantasyroman empfehlen, eingeschränkt sogar denen, die bisher wenig
Interesse an diesem Genre haben. Da ich kaum etwas zu bemängeln
hatte, gebe ich dem Kinderbuch „Der kleine Hobbit“ vier von fünf
Herzen.
♥♥♥♥